Ausstellungsansicht The World of Music Video in der Gebläsehalle, Weltkulturerbe Völklinger Hütte © Foto: Tom Gundelwein, Weltkulturerbe Völklinger Hütte
Schon der Beginn der Ausstellung „The World of Music Video“ ist imposant. Wer über die Treppe in das Ausstellungsgeschoss der Gebläsehalle gelangt, wird von Billie Eilishs „Bad Guy“ auf einer riesigen Projektionsleinwand empfangen. Blickt man sich um, flirrt und flackert es überall in der Halle. Auf 62 Großleinwänden und 22 Monitoren breitet Kurator und Hüttenchef Ralf Beil die Welt der Musikvideos aus. Die Ausstellung will das Genre abbilden, wie der Ausstellungstitel verspricht. Beil und sein Team haben das Besondere gesucht und Originelles, Witziges und Schrilles gefunden, frühe Meisterwerke entdeckt und Meilensteine des Mediums identifiziert.
Das älteste Stück ist eine Werbung aus dem Jahr 1936. „Rainbow Dance“ von Len Lye ist aber technisch so meisterhaft gemacht, dass es aus den 1960er Jahren stammen könnte: quietschbunt, mit Solarisations- und Überblendeffekten. Und erst am Schluss erkennt man, dass es sich um eine Werbung der britischen Post handelt. Daneben Musikvideos von Künstlern wie Yoko Ono und Jospeh Beuys. Das erste kommerzielle Musikvideo war wohl Queens „Bohemian Rhapsody“. Daneben zeigt die Völklinger Hütte Deichkinds „Keine Party“ in dem Lars Eidinger im Takt der Beats wie von Sinnen durch Berlin tanzt und hüpft. Damit die Ausstellung keine Kakophonie aus 84 Musikstücken wird, bekommen die Besucher:innen Audioguides, die automatisch starten, wenn man vor den Leinwänden steht.
Mit dem Siegeszug des Musiksender MTV wurden Musikvideos Teil der Unterhaltungsindustrie und der Gegenwartskultur. In ihnen verschmelzen Musik, Tanz und Film zu einem ganz eigenen Genre. Dazwischen zitieren die Musiker:innen immer wieder die bildende Kunst. Meisterhaft das Video zu „Spokes for the Wheel of Torment“ von Buckethead, in dem die Gruppe ein Hieronymus-Bosch-Gemälde zum Leben erweckt.
Zu den Meistern des Musikvideos gehören die Regisseure Chris Cunningham und Spike Lee, die beide mehrfach vertreten sind. Cunningham etwa lässt Björk in „All is full of love“ als Roboter lebendig werden, Spike Lee inszeniert die junge Sofia Coppola in „Elektrobank“ von den Chemical Brothers als ehrgeizige Bodenturnerin, welche die Gegnerin in Grund und Boden turnt. Grandios auch die Schauspielerin Margaret Qualley, die für Kenzo World in einem dreieinhalbminütigen Video durch die Los Angeles Music Hall albert. Dass die Clips entstanden sind, um den Verkauf von Produkten anzuheizen, lässt Beil nicht gelten: „Es gibt keinen Widerspruch zwischen Kunst und Kommerz.“ Die Ausstellung ist der beste Beweis.
Der heimliche Star der Schau ist aber der Ausstellungsort selbst. Befreit von Einbauten und Teppichen erstrahlt die Gebläsehalle wieder in altem Glanz. Die Maschinenhalle hat nun wieder ihre kathedralenhaftes Erscheinungsbild, die mächtigen Maschinen werden zum Teil der Ausstellung. Gekonnt spielt Beil mit der Architektur. Die anzüglicheren Videos „verschwinden“ in Schächten und sind dem schweifenden Blick entzogen, erstmals wurde eine Treppe zum Untergeschoss der Halle geöffnet und ist nun zugänglich.
Bülent Gündüz